„Inzwischen habe ich Hoffnung“

    Mittel
    Deutsch perfekt 6/2022
    
Christiana Bukalo
    © Benjamin Jenak
    Von Eva Pfeiffer

    Christiana Bukalo (28) ist in München geboren und staatenlosso, dass man keine Staatsangehörigkeit hat (die Staatsangehörig­keit, -en: Nationalität)staatenlos. Ende 2021 online gehenhier: im Internet publiziert werdenging ihre Plattform statefree.world online gehenhier: im Internet publiziert werdenonline. Dort möchte Bukalo anderen Staatenlosen Informationen geben – und die Motivation, ihre Geschichte zu erzählen.

    Frau Bukalo, warum haben Sie keine Staatsangehörigkeit?
    Meine Eltern sind in den 90er-Jahren aus Westafrika nach Deutschland immigriert. Damals haben sie den Status „ungeklärtnicht klar; nicht festgestelltungeklärte Staatsangehörigkeit“ erhaltenbekommenerhalten. Den habe ich bei meiner Geburt in München von ihnen erbenhier: von seinen Eltern durch die Geburt bekommengeerbt. Vor ein paar Jahren hat sich mein Status in „staatenlos“ geändert. Ich weiß nicht, warum. Bei einem der Behördengang, -gängeBesuch bei einem Amt, um etwas zu erledigenBehördengang habe ich ein Dokument bekommen, in dem nicht mehr „XXX“ für „ungeklärte Staatsangehörigkeit“ stand, sondern „XXA“ für „staatenlos“.

    Was bedeutet dieser Unterschied?
    Als offiziell Staatenlose bin ich eine Stufe weiterhier: etwas näher am Zieleine Stufe weiter. Wenn ich diesen Status sechs Jahre lang habe, kann ich versuchen, sich einbürgern lassenals Ausländer die Staatsangehörigkeit eines Landes bekommenmich einbürgern zu lassen. Mit einem deutschen Pass ist vieles einfacher. Aktuell ist für mich manches gar nicht möglich. Zum Beispiel darf ich nicht wählen. Ich darf auch keine Beamtin werden. Reisen war sowiesohier: unabhängig von allemsowieso schon immer schwierig. Am Anfang der Corona-Pandemie etwahier: zum Beispieletwa gab es eine die Rückholaktion, -enAktion, bei der Menschen wieder an einen Ort zurückgebracht werdenRückholaktion der Regierung für Deutsche in verschiedenen Ländern. In Situationen wie dieser ist es oft nicht sicher, ob ich berücksichtigenhier: bei der Organisation denken anberücksichtigt werde. Das lässt einen … werden.Das macht, dass man … 
wird.Das lässt einen sehr vorsichtig Das lässt einen … werden.Das macht, dass man … 
wird.werden. Ich habe aber erst vor ein paar Jahren erkannt, was diese die Einschränkung, -enhier: Sache, die die Möglichkeiten reduziertEinschränkungen wirklich bedeuten – durch eine traumatisierende Erfahrung.

    Heute weiß ich, dass das naiv war.

    Was ist passiert?
    Seit meinem 18. Lebensjahr habe ich einen Reiseausweis für Staatenlose. Anfang 2019 wollte ich damit meine erste große Reise machen, nach Marokko. Das war etwas Besonderesspezielle Sacheetwas ganz etwas Besonderesspezielle SacheBesonderes für mich. Ich wollte mich gut darauf vorbereiten. Es war aber sehr schwierig, Informationen zu bekommen – außer der, dass man aus Deutschland ohne Visum nach Marokko reisen darf. Ich dachte, das gelten fürhier: die Norm sein fürgilt auch gelten fürhier: die Norm sein fürfür mich. Heute weiß ich, dass das naiv war.

    Warum?
    Am Flughafen in Marrakesch standen plötzlich sechs Männer in Uniform neben mir. Man sagte mir, dass ich als Staatenlose ohne ein Visum nicht einreisenin ein Land reiseneinreisen darf. Ich musste fast 24 Stunden im der Transitbereich, -e≈ TransitarealTransitbereich des Flughafens verbringen, um das nächste Flugzeug zurück nach Deutschland zu nehmen. In dieser Nacht habe ich viel geweint. Ich war enttäuscht und habe sich schämenhier: sich schlecht fühlen, weil einem eine Sache vor anderen unangenehm istmich geschämt. Aber irgendwann auf dem Flug zurück wurde daraus ein Gefühl der die FassungslosigkeitSchock und TraurigkeitFassungslosigkeit: Wie kann es sein, dass ich absolut keine die Quelle, -nhier: Medium, von dem man Informationen bekommtQuellen habe, um mich richtig zu informieren? So etwas soll mir nie wieder passieren.

    War das der Anfang Ihrer Onlineplattform?
    Da hatte ich die erste Idee. Es hat aber noch länger gedauert, bis die Plattform real wurde. Am Anfang habe ich unterhier: mitunter einem Pseudonym daran gearbeitet. Heute benutze ich meinen wahren Namen. Ich will andere Staatenlose nicht nur (jemanden) versorgen mithier: anbieten, weil das jemand brauchtmit Informationen (jemanden) versorgen mithier: anbieten, weil das jemand brauchtversorgen, die mir gefehlt haben. Ich will ihnen auch die Chance geben, ihre Geschichte zu erzählen. Viele fühlen sich allein, aber das sind sie nicht. Es gibt in Deutschland geschätzthier: <=> auf Basis von genauen Zahlengeschätzt rund 26 500 Staatenlose und mehr als 91 000 Menschen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit. Inzwischen habe ich Hoffnung, dass wir die Situation zusammen verbessern können.

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