Ist das Kunst?

    Schwer
    Deutsch perfekt 11/2024
    Spuren der zerstörten Fettecke im ehemaligen Raum 3 von Joseph Beuys sind am 07.01.2016 in der Kunstakademie in Düsseldorf
    © picture alliance / dpa / Rolf Vennenbernd
    Von Alia Begisheva

    Deutschland, das Land der Dichter und … der sehr genauen Reinigungsfachkräfte. Vor einigen Jahren hat eine die Reinigungsfachkraft, -ä-ePerson mit speziellen Kenntnissen, die beruflich putztReinigungsfachkraft in einem Dortmunder Museum das das Wẹrk, -ehier: Arbeit eines KünstlersWerk eines Künstlers zerstört. Sie sah an Martin Kippenbergers Installation Wenn’s anfängt durch die Decke zu tropfen Flecken. Und fing an zu putzen. Wahrscheinlich wollte sie etwas Gutes tun. Doch sie beschädigte so ein Werk im Wert von 800 000 Euro. 

    In Düsseldorf reinigte ein Hausmeister 1986 Joseph Beuys’ Fettecke (Reste sieht man auf dem Bild oben). Beuys arbeitete gern mit Fett. Das ist natürlich kein typisches Kunstmaterial – die meisten Deutschen tun es lieber auf ihr Brötchen als auf ein Bild.

    Das brịngen zuhier: die Idee für einen neuen Gedanken gebenbringt mich brịngen zuhier: die Idee für einen neuen Gedanken gebenzu der Frage: Ist es eine subversivhier: so, dass man damit eine Kritik ausdrücken will, ohne es direkt zu sagensubversive Form von Kunst, ein Kunstwerk zu zerstören? Ein kreativer der Ausdruckvon: ausdrücken = in Worten oder Gesten kommunizierenAusdruck, um zu sagen: Unser Leben ist kurz und flüchtighier: schnell und kurzflüchtig, warum also nicht auch die Kunst? Vielleicht ist der der Eingriff, -evon: eingreifen in = manipulieren; extern ändernEingriff in Kunst ein Statement gegen Gesellschaftsstrukturen: Eine Reinigungsfachkraft putzt ein Kunstwerk kaputt – das kann sogar Banksy nicht besser.

    Es passiert selten, dass ein Bild nicht aus einem Museum gestohlen – sondern in es hineingebracht wird

    Manche erschạffen≈ neu machenerschaffen im Chaos der Kunst ihre eigene Ordnung, andere seines eigenen Glückes Schmied sein 👄 für das eigene Glück verantwortlich seinsind ihres eigenen Glückes Schmied. Da war zum Beispiel die Kölner Künstlerin, die heimlichim Geheimenheimlich ihr eigenes Werk in die Bonner die Kụnsthalle, -nMuseumKunsthalle schmụggelnheimlich an einen anderen Ort bringen↓schmuggelte. Die Besucherinnen und Besucher des Museums waren überrascht. Da war plötzlich ein Werk in der Ausstellung, das nicht im Katalog genannt wurde: eine junge Frau mit langen Haaren. Was will die hier?

    Die junge Frau ist das australische Model Georgie Polks, das den Besucherinnen direkt in die Augen schaut. Die Mitarbeiter der Kunsthalle reagierten mit Humor: Sie veröffentlichten das Bild in den sozialen Medien mit der Bitte an die Künstlerin, das Geheimnis um ihre Identität zu lüftenhier: ≈ wegnehmen, weil man die Wahrheit erzähltlüften. Als die sich meldete, wurde sie sogar zur Kooperation eingeladen. Die Reaktion finde ich passend. Denn es passiert selten, dass ein Bild nicht aus einem Museum gestohlen – sondern in es hineingebracht wird. 

    Weniger Glück hatte ein technischer Mitarbeiter der Pinakothek der Moderne in München. Er hatte die gleiche Idee und schmuggelte sein Werk in das Museum. 

    eine Weileeine Zeit langEine Weile hing es zwischen berühmten Werken. Niemand bemerkte es. Wie lange das war, will das Museum nicht sagen. Aber am Ende kam die Polizei. Nicht wegen der Aktion, sondern wegen des Schadens an den Wänden. Die Zeitungen berichteten. ịmmerhịnwenigstensImmerhin wurde der Künstler so (ein bisschen) bekannt. Ob er wohlhier: vielleichtwohl seine Kunst besonders ẹrnst nehmenhier: der Meinung sein, dass … besondersernst nimmt – oder eben geradehier: genau deshalbeben gerade nicht? 

    Was kommt als Nächstes? Eine Reinigungsfachkraft, die der Mona Lisa ein weniger ernstes Lächeln ins Gesicht malt? Der Gedanke ist sowohl erschrẹckendhier: so, dass es einem Angst machterschreckend als auch irgendwie sympathisch.

     

    Alia Begisheva wurde in Moskau geboren. Heute lebt sie mit ihrem kanadischen Mann und ihren zwei Kindern in Frankfurt am Main und weiß viel besser als viele ihrer deutschen Nachbarn, dass man Papier und Glas nicht in dieselbe Mülltonne wirft. Für Deutsch perfekt schreibt sie diese Kolumne.