Außen: Im warmen Südwesten Deutschlands liegt Ettlingen. Es regnet. der Vorhang, Vorhängegroßes Stück Stoff: Man hängt es neben oder vor ein Fenster.Vorhänge blockieren den Blick von der Straße. So auch den Blick in die Fenster von Helga Sofie Josefa und ihrem Enkel Janik, beide sind seit einem Jahr Internetstars.
Innen: Janiks Kinderzimmer ist das Studio. An der Wand steht ein Tisch. Auf der einen Seite steht ein Schreibtischstuhl für Janik, auf der anderen ein schwerer Holzstuhl für Helga. Auf Janiks Seite: Ein das Hochbett, -enBett auf einer hohen KonstruktionHochbett, darunter steht ein Schreibtisch mit zwei Bildschirmen, die Tastatur, -enhier: ≈ Gerät mit allen Tasten für den Computer (die Taste, -n: eines von vielen kleinen Stücken am Computer: Man drückt es mit den Fingern, um Buchstaben und Zahlen zu schreiben.)Tastatur und die Maus, Mäusegraues oder braunes, kleines Tier; hier: ≈ kleines Gerät in der Form von einer MausMaus. Auf Helgas Seite: ein Stativ mit Mikrofon und eine Studio-Lampe. Und: viele das Märchenbuch, -bücherBuch mit fantastischen Erzählungen, z. B. Hänsel und GretelMärchenbücher – denn im Internet ist Helga Josefa Sophie die Marmeladenoma. Jeden Samstag um acht Uhr abends liest sie live Märchen vor.
Die Oma: Helga Josefa Sophie (86), weiße Haare, die im gelben Licht fast blond aussehen, sitzt auf ihrem Holzstuhl vor der Kamera. Mit beiden Händen hält sie ein Märchenbuch. „Willkommen auf der die Märcheninsel, -nInsel so schön wie im Märchen; auch: Ort: Dort gibt es keine Probleme und man hört Märchen. (die Insel, -n: Stück Land in einem Meer, See oder Fluss)Märcheninsel von der Marmeladenoma und Enkel Janik“, beginnt sie. Dann liest sie ein Märchen von Christian Andersen vor: „Des Kaisers Nachtigall“. Ihre die Stimme, -nhier: Art: So spricht man.Stimme ist freundlich und ruhig. „wiesowarumWieso ist mir die Nachtigall noch nie vorgestellt worden“, liest sie: „Ich möchte, dass sie heute Abend in den der Palast, PalästeSchlossPalast kommt und mir etwas vorsingt. Wenn sie aber nicht kommt, lasse ich dem ganzen der Hof, Höfehier: Ort: Dort leben Aristokraten.Hofe auf den Bauch tretenhier: ≈ mit dem Fuß sehr stark drückentreten.“ Helga stoppt kurz, blickt in die Kamera: „Eine seltsamso, dass man etwas nicht leicht verstehen kannseltsame die Strafe, -n≈ Sanktion, weil man etwas Böses gemacht hatStrafe“, kommentiert sie, dann liest sie weiter. Nicht ganz 25 Minuten dauert das Video. Am Ende kommt Musik, das Bild wird unscharfhier: so, dass man nichts deutlich sehen kannunscharf. Zu sehen ist nur noch, wie sie ein das Lesezeichen, -≈ spezielle lange Karte: Man legt sie in ein Buch, um zu markieren, wo man aufgehört hat, zu lesen.Lesezeichen in das Buch legt und sich die Haare zurückstreichen≈ mit den Händen die Haare ordentlich machensich die Haare zurückstreicht.
Der Enkel: Die Videos produziert Janik (15). Seine Welt liegt hinter der Kamera. „Janiks große die Waffe, -nz. B. Pistole oder Messer; gemeint ist hier: ≈ Talent; ≈ KönnenWaffe ist das schweigennichts sagenSchweigen“, sagt Helga. „Ich kann das gar nicht.“ Die Idee der „Marmeladenoma“ als Livestream kommt von ihm. Als er älter wird, ändern sich seine Interessen. Lego und Märchen sind nicht mehr wichtig, der Computer ist es aber sehr. während …in der Zeit, wenn …Während seine Oma liest, ist er im Internet. Im Mai 2016 hat er dann eine Idee: wieso nicht beides kombinieren? Er installiert den YouTube-Kanal und gibt ihm den Namen „Marmeladenoma“ – denn seine Oma macht die beste Marmelade der Welt.
Der Hype: Am Anfang haben sie nur ein paar Hundert der Zuschauer, -von: zuschauen = hier: Videos sehenZuschauer. Bis Gronkh die Seite während eines Livestreams besucht. Gronkh ist mit 4,7 Millionen der Abonnent, -enhier: Person: ≈ Sie lässt sich immer das neueste Video schicken.Abonnenten einer der bekanntesten deutschen YouTuber. Er empfiehlt die Marmeladenoma – und die hat in kurzer Zeit mehr als 4000 Zuschauer. Der Stream zusammenbrechenhier: ≈ kaputtgehen; nicht mehr funktionierenbricht für kurze Zeit zusammenbrechenhier: ≈ kaputtgehen; nicht mehr funktionierenzusammen. Gronkh meint dazu überrascht: „Wir haben die Oma abgeschossenPart. II von: abschießen = hier: machen, dass der YouTube-Kanal nicht mehr funktioniertabgeschossen.“ Er findet die Idee gut und die Marmeladenoma sympathisch, deshalb will er ihr mit dem Besuch eine Freude machen≈ etwas tun, damit sich ein anderer freuteine Freude machen. Es funktioniert. In einem Video sich bedankenDanke sagenbedankt sich Helga bei Gronkh. Es hat mehr als zwei Millionen Klicks.
Der Boom: Jetzt hat die Marmeladenoma auf YouTube mehr als 190 000 Abonnenten. Tausend Leute schauen ihr jede Woche beim Livestream zu. Oma und Enkel publizieren ihre Nachnamen nicht. Trotzdem erkennenidentifizierenerkennen Menschen sie oft auf der Straße. Und es kommt viel Fanpost.
Die Fans: Die meisten Zuschauer sind zwischen 20 und 30 Jahre alt, drei Viertel von ihnen sind Männer. Die meisten suchen Ruhe und die Geborgenheit≈ Emotion: Man fühlt sich sicher.Geborgenheit und finden beides bei Helga. „Wenn ich abends in meinem Studentenwohnheim Ruhe will“, kommentiert Vana Nowight unter dem Video von „Des Kaisers Nachtigall“, „sich anhörenkonzentriert zuhörenhöre ich sich anhörenkonzentriert zuhörenmir dieses Märchen sich anhörenkonzentriert zuhörenan.“ Hatsune Miku Animee fan fragt: „Wer kann nach den Märchen auch immer besser schlafen?“ Bei ihr gibt es „eine die heile WeltWelt ohne Problemeheile Welt“, sagt Helga, denn in Märchen gewinnt immer das Gute. Auf Wunsch ihrer Fans liest sie inzwischen auch eigene Erzählungen aus ihrem Leben live vor. Ein paar Minuten, in denen Helga den Vorhang vor ihrem Fenster öffnet und die Menschen zu sich hineinblicken lässt.
die KindheitZeit: Man ist ein Kind.Kindheit: „Ich hatte eine schlimme Kindheit“, erzählt Helga. „Ich war das das Aschenbrödelweibliche Märchenfigur; hier: ≈ Mädchen: Es hat viele Probleme im Leben.Aschenbrödel.“ Als sie acht ist, stirbt ihre Mutter. Anders als ihre Eltern liest ihre die Stiefmutter, -mütterneue Partnerin vom eigenen VaterStiefmutter keine Märchen, sondern „der Liebesromanschinken, -ugs., neg.: kitschiger, dicker LiebesromanLiebesromanschinken“, sagt Helga. Das gefällt ihr gar nicht. Keines der acht Kinder mag die Stiefmutter. Die abschaffenhier: wegmachen und weggebenschafft den Gemüsegarten und die Tiere abschaffenhier: wegmachen und weggebenab, mit denen Helga aufgewachsenPart. II von: aufwachsen = als Kind leben und groß werdenaufgewachsen ist. „Sie hat unsere ganze Welt zerstörtPart. II von: zerstören = kaputt machenzerstört.“
der Krieg, -eStreit zwischen NationenKrieg: „Ich habe geflüchtet inPart. II von: sich flüchten in ≈ hier: in eine Fantasiewelt weglaufenmich in die Märchen geflüchtet in Part. II von: sich flüchten in ≈ hier: in eine Fantasiewelt weglaufengeflüchtet, die Realität war zu harthier: ≈ böse; ≈ so, dass sie Angst machthart.“ Im Krieg wird alles noch schlimmer. Er zerstört Helgas Familie, deshalb möchte sie über diese Zeit nicht sprechen. Die Erinnerungen tun zu sehr weh. Wenn sie wegen der Erinnerungen heute, 72 Jahre später, nicht schlafen kann, reist sie im Kopf ans Meer. Dann vergisst sie, dass es im Krieg nur wenig zu essen gegeben hat. Ein Marmeladenbrot war Luxus. Und sie vergisst, dass sie keinen Ausbildungsplatz bekommen hat und ihre Stiefmutter sie nach dem Krieg in die Fabrik geschickt hat.
Endlich leben: Mit 18 lernt Helga ihren Mann kennen. Eines Abends sitzen sie bei einem romantischen Ausflug zusammen, er mit Gitarre. „Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinktPart. II von: versinken = hier: unter den Horizont gehenversinkt“, singt er. Bald heiraten sie, und Helga wird schwanger.
Böse Stiefmutter: Auch er hat eine böse Stiefmutter. Beide wollen weg von ihren Elternhäusern und sich aufbauenhier: alles organisieren, um ein Zuhause haben zu könnensich ein eigenes Zuhause sich aufbauenhier: alles organisieren, um ein Zuhause haben zu könnenaufbauen. Heute hat Helga drei Söhne, vier Enkel und fünf der Urenkel, -Sohn vom Enkel oder der EnkelinUrenkel. Eine Oma ist sie aber noch für viel mehr Menschen, die nie eine hatten. Unter dem Video „Des Kaisers Nachtigall“ schreibt Layukii: „Es fühlt sich so an, als ob du wirklich meine Oma wärst.≈ Fast meine ich, dass du wirklich meine Oma bist.Es fühlt sich so an, als ob du wirklich meine Oma wärst.“
die Botschafterin, -nenhier: Frau: ≈ Sie hilft anderen glücklich zu sein.Botschafterin des Glücks: Mit ihren Märchen will sie Liebe in die Welt bringen. Durch Janik hören sie viele Menschen. „Und solange ich noch sitzen, redensprechenreden und schreiben kann, machen wir weiter.“
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